Abstellkammer und Resterampe.
Aktuelle Fotos von Juni 2022 dokumentieren den unglaublichen Zustand der »Ausstellung« im Café Sibylle: Exponate stehen einfach auf dem Boden, manche sind beschädigt, eine Struktur ist nirgends erkennbar und insgesamt gleicht die Situation mehr einer Abstellkammer als der einst legendären Ausstellung zur Geschichte der Karl-Marx-Allee:
Impressionen der »Ausstellung« im »Café Sibylle«; Fotos: © 2022 Iris Lier.
Seit bald 4 Jahren bemühen wir uns schon darum, diesen Zustand zu beenden und die Ausstellung endlich wieder instand zu setzen. Als Chronologie des Stillstands seit der Wiedereröffnung des Cafés ist der Hergang in unserem Beitrag: »Café Sibylle« ausführlich beschrieben und mit Dokumenten belegt.
Nachdem zuletzt auch der bis April 2022 seitens der BVV Friedrichshain-Kreuzberg geforderte Bericht zum Planungsstand der Ausstellung nicht vorgelegt wurde, richtete Dr. Michael Heihsel, FDP, am 19. Mai 2022 die nachstehenden 12 Fragen an das Bezirksamt:
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- Aus welchem Haushaltstitel erhält das Café Sibylle monatliche Zuwendungen vom Bezirksamt?
- Mit welcher Begründung erhält das Café Sibylle diese Zuwendungen?
- In welcher Höhe erhält das Café monatliche Förderungen durch ABM-Maßnahmen o. ä. vom Jobcenter?
- Wie hoch sind die gesamten finanziellen Mittel, die das Café Sibylle bisher erhalten hat?
- Erhält das Café Sibylle aktuell weiterhin finanzielle Unterstützung zur Konzeption und Unterhaltung der Ausstellung zur Karl-Marx-Allee?
- Werden weitere Projekte im Café Sibylle mit den finanziellen Mitteln vom Bezirk unterstützt, wie zum Beispiel die Fotoausstellung »Kreuzberg bleibt anders!« von Ron Gerlach?
- Welchen aktuellen Planungsstand hat die Konzeption der Ausstellung zur Historie der Karl-Marx-Allee?
- Wann kann die neue Ausstellung voraussichtlich eröffnet werden?
- Wie hoch sind die voraussichtlichen Gesamtkosten der neuen Ausstellung für den Bezirk?
- Mit welchen Akteuren steht das Bezirksamt zur Konzeption der Ausstellung in Kontakt?
- Wurde der Verein Stalinbauten e.V. zur Konzeption der Revitalisierung der Ausstellung einbezogen?
a) Wenn ja, in welcher Form und in welchem Umfang?
b) Wenn nein, weshalb nicht? - Warum konnte auf Bitte des Vereins Stalinbauten e.V. und mit deren Angebot zur Mithilfe die alte Ausstellung zur Karl-Marx-Allee auch im kleineren Umfang nicht wiederhergestellt werden, bis die neue Ausstellung eröffnet werden kann?
Die Beantwortung der Fragen (Drucksache SA/113/VI, download) erfolgte – nach zehn Wochen – am 5. August 2022, blieb jedoch unvollständig: Die Fragen Nr. 7-11 wurden ausweichend oder gar nicht beantwortet, die Antwort auf die letzte Frage ist nicht nachvollziehbar resp. ignorant:
Da die Ausstellungsbestandteile sich im Lager des Bezirksmuseums befanden, hat das FHXBMuseum in Zusammenarbeit mit dem Betreiber des Café Sybille [sic] P.U.K. amalta [sic] gGmbH die Ausstellung in Teilen wiederaufgebaut. Die Ausstellung ist seit Wiedereröffnung des Cafés für die Öffentlichkeit zugänglich. Eine Unterstützung durch Stalinbauten e.V. war nicht notwendig.
Bezirksstadtrat und stellvertretender Bezirksbürgermeister Oliver Nöll, Die Linke, zeigt damit bestenfalls, dass er lange nicht vor Ort war und offensichtlich keine Ahnung hat, was dort los ist, vgl. Abbildungen oben – und unten.
Nachtrag 1
Auch im September 2022 bietet die »in Teilen wiederaufgebaut[e]« Ausstellung immer noch ein unverändert niederschmetterndes Bild – ein Konzept ist nach wie vor nicht erkennbar, Bilder stehen weiterhin achtlos auf dem Boden an die Wand gelehnt, historische Exponate sind beschädigt resp. zerstört oder fehlen ganz:
Neue Impressionen der »Ausstellung« im September 2022; Fotos: © 2022 Achim Bahr.
Es wäre bestürzend und kaum zu glauben, wenn das FHXB-Museum tatsächlich für diesen Zustand (mit-) verantwortlich sein sollte.
Nachtrag 2
Am 28. September 2022 wurde von Dr. Michael Heihsel, FDP, der Beschlussantrag (Drucksache DS/0358/VI, download) zur Einstellung der Subventionierung des Café Sibylle eingebracht; zur Begründung heißt es:
Das Café Sibylle wird seit September 2018 als Kultur- und Veranstaltungsort finanziell mit den Mitteln der Bürgerbeteiligung unterstützt. Mittlerweile wurden ca. 72.000 € für den ganzen Finanzierungszeitraum ohne erkennbaren Nutzen zur Bürgerbeteiligung verausgabt. Die Geldvergabe ist deshalb nicht nur intransparent, sondern auch ungerecht gegenüber anderen Gewerbetreibenden im Bezirk. Ein pflichtbewusster Umgang mit öffentlichen Geldern findet bei der Finanzierung des Cafés Sibylle nicht statt.
Der Antrag wurde zur Vorberatung an die Ausschüsse für Stadtentwicklung und Wohnen, für Petitionen, Beteiligung und Geschäftsordnung, für Soziales, Arbeit und Gesundheit sowie für Kultur und Bildung verwiesen und soll sodann im Ausschuss für Personal, Haushalt, Investitionen, Rechnungsprüfung und Wirtschaftsförderung entschieden werden.
Nachtrag 3
Der o. g. Antrag von Dr. Michael Heihsel, FDP, wurde seitens der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg am 25. Januar 2023 abgelehnt (Drucksache DS/0358/VI, pdf).
Nachtrag 4
Inzwischen hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass die o. g. Fragen von Dr. Michael Heihsel, FDP, nun bis zum 13. September 2023 vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg beantwortet werden müssen: »Gericht, Rechtsamt, Bezirksamt, Rechtsanwalt und viele Seiten juristische Abhandlung erzeugen Kosten, die jetzt das gerichtlich unterlegene Bezirksamt tragen muss.« Diese Ausgaben für die nun erfolgte gerichtliche Zusicherung der »ureigenen Rechte der Bezirksverordneten« hätten durchaus sinnvoller eingesetzt werden können, so Heihsel – zum Beispiel für die Wiederherstellung der seit 2018 verlorenen Ausstellung …
Nachtrag 5
Tatsächlich hat Stadtrat Oliver Nöll, Die Linke, die schriftliche Anfrage von Dr. Michael Heihsel, FDP, am 14. September 2023 beantwortet (Drucksache SA/182/VI, pdf); die darin erwähnte Vereinbarung zur Neugestaltung der Ausstellung wurde inzwischen von Oliver Nöll (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg), Dr. Christoph Rauhut (Landesdenkmalamt), Angelika Zachau (puk a malta gGmbH) und Achim Bahr (STALINBAUTEN e.V.) unterschrieben.